Einblick in die Nadelholz-Versuchspflanzung in Hünenberg (ZG). Foto: Simon Tresch (IAP)

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Die Suche nach zukunftsfähigen Baumarten in Europa

Die globalen Veränderungen gefährden die Waldleistungen. Um zukunftsfähige Baumarten zu finden, wurden in vielen europäischen Ländern Pflanzversuche angelegt. Die Schweiz beteiligt sich unter anderem mit dem Testpflanzungsnetzwerk.

Kathrin Streit* | Der Klimawandel stellt die Forstwirtschaft in Europa vor neue Herausforderungen. In vielen Wäldern ist der momentane Bestand schlecht an das Klima angepasst, das gegen Ende des Jahrhunderts erwartet wird. Es wird wärmer, im Sommer trockener und Extremereignisse nehmen zu. Dadurch verschieben sich die Lebensräume der Baumarten. Der heutigen Baumgeneration bleibt die Möglichkeit, sich anzupassen oder Einbussen in Wachstum und Vitalität hinzunehmen; im schlimmsten Fall gehen die Bäume ein.  

Natürliche Wanderung

Baumarten können über ihre Verjüngung in neue Standorte einwandern. Hindernisse bremsen allerdings diese natürliche Wanderung, oder blockieren sie sogar. Der Waldstandort, in den die Baumart einwandert, ist selten leer, die Verjüngung von konkurrenzstarken Schattenbaumarten ist vielerorts präsent. Weitere Hindernisse stellen Berge und besiedeltes Gebiet dar. Dass hierzulande öfters auf naturnahe Bewirtschaftung gesetzt wird als auf Monokulturen, ist ein Vorteil. Naturnah bewirtschaftete Wälder sind oft vielfältiger in ihrer Baumartenzusammensetzung und Struktur. Dies sind gute Voraussetzungen für die Anpassung an globale Veränderungen. Allerdings sind zukunftsfähige Baumarten auch im naturnah bewirtschafteten Wald untervertreten, einerseits weil sie bisher selten waldbaulich gefördert wurden, anderseits weil sie weniger schattentolerant und konkurrenzstark sind als zum Beispiel die Buche. Zudem werden sie oft bevorzugt vom Wild verbissen.  

Unterstützte Wanderung (assisted migration)

Die Wanderung von Baumarten kann auch aktiv unterstützt werden. Viele Betriebe haben bereits Baumarten oder Saatgutherkünfte aus wärmeren und trockeneren Gebieten in ihre Bestände eingebracht. Diese Pilotpflanzungen sind nicht ganz ohne Risiko. Krankheiten können eingeschleppt werden, und manchmal sind die neuen Baumarten nicht gut ans heutige Klima angepasst oder gar ungünstig für die Biodiversität im Wald. Obwohl die Betriebe mit Pilotpflanzungen wertvolle Erfahrungen sammeln, lassen sich diese nicht einfach auf andere Standorte übertragen. Es gibt immer noch Unklarheiten darüber, wie klimatische und bodenkundliche Faktoren, aber auch biotische Faktoren (z. B. Mykorrhizen) die Vitalität und das Wachstum von Baumarten beeinflussen. Wo haben Baumarten ihr Optimum, und wo kommen sie an ihre Grenzen? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, braucht es Pflanzversuche, die Baumarten über grosse klimatische und geologische Gradienten hinweg testen. 

Europa pflanzt

Pflanzversuche haben in Europa eine lange Tradition. Bereits vor 250 Jahren wurden Pflanzversuche angelegt, um Saatgutherkünfte einer Baumart zu testen und die Holzproduktion zu optimieren. Pflanzversuche mit einheitlichem Design
und mehreren Baumarten auf verschiedenen Standorten wurden erst im 20. Jahrhundert angelegt. England hat notgedrungen damit angefangen. Denn nach einer fast vollständigen Entwaldung im Rahmen der Industrialisierung, wurde bei der Aufforstung hauptsächlich auf die Sitka-Fichte gesetzt. In den 1980er-Jahren wurden Versuchspflanzungen angelegt, um alternative Baumarten zu finden, die besser an das sich verändernde Klima angepasst sind. Um die Jahrtausendwende wurde in Frankreich ein Pflanzversuch angelegt, um die natürliche Wanderung der Baumarten als Folge der globalen Veränderung zu beobachten. Dabei zeigten die Baumarten mehr Dynamik bei der Ausweitung des Lebensraums als bei dessen Aufgabe. Im Jahr 2012 startete mit REINFFORCE ein erster grossangelegter Pflanzversuch: 33 Baumarten wurden auf 38 Flächen entlang des atlantischen Bogens von Portugal bis Schottland getestet. Im gleichen Jahr schlossen sich Partner aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen, um fünf Gastbaumarten und drei einheimische Baumarten auf fünf Flächen zu pflanzen. Auf den meisten Flächen zeigten die Gastbaumarten ein geringeres Überleben und Wachstum im Vergleich zu den einheimischen Baumarten. Die Resultate legen nahe, dass die getesteten Gastbaumarten noch nicht gut an das heutige Klima angepasst sind. Zwei Jahre später startete das Institut für angewandte Pflanzenbiologie (IAP) in Witterswil (SO) einen Pflanzversuch (siehe Box). 

Suche nach zukunftsfähigen Bäumen

In den letzten Jahren wurden in Europa verschiedene Pflanzversuche eingerichtet, die das Ziel verfolgen, zukunftsfähige Baumarten zu finden. So werden in Baden-Württemberg auf zwölf Flächen zehn zukunftsfähige Baumarten getestet, davon acht Gastbaumarten, in Belgien wurde auf 30 Flächen die Wanderung von einer bis fünf von insgesamt 30 Baumarten unterstützt (www.treesforfuture.be), und in Frankreich wurden 33 Baumarten auf vier Flächen gepflanzt (Projekt ESPERENSE). Weitere Netzwerke sind in Planung. Beim neuen Projekt OptForest sollen in 20 europäischen Ländern 26 Flächen angelegt werden, um insgesamt 14 Baumarten zu testen. Eine dieser Flächen wird in der Schweiz liegen. In der Schweiz wurde im Frühjahr 2023 das Netzwerk «Testpflanzungen zukunftsfähiger Baumarten» vervollständigt (www.testpflanzungen.ch). Über drei Jahre wurden auf 57 Flächen verteilt über alle biogeografischen Regionen und Höhenstufen ungefähr 55 000 Bäumchen von 18 Baumarten und 117 Saatgutherkünften gepflanzt. Beteiligt sind das BAFU, die Kantone, zahlreiche Forstbetriebe, mehrere Forstbaumschulen und die WSL. Die Baumarten, die mehrheitlich einheimisch sind, werden in ihrem heutigen Lebensraum sowie bis zu 800 Meter oberhalb ihrer aktuellen Verbreitungsgrenze getestet. Die Wanderung dieser Baumarten wird damit unterstützt. 

Diese Testpflanzungen sind zurzeit der umfangreichste Pflanzversuch in Europa. Einen vergleichbaren klimatischen Gradienten umfasst nur noch das REINFFORCE-Netzwerk, aber während seine Flächen klimatisch hauptsächlich im warm-feuchten bis warm-trockenen Bereich liegen, sind die Flächen des Testpflanzungsnetzwerkes über den kalt-feuchten und kalt-trockenen bis warm-trockenen Bereich verteilt. Die weiteren europäischen Pflanzversuche konzentrieren sich auf warm-trockene Standorte, weil dort die Probleme am akutesten sind. Für die Schweiz genügt das nicht. Wichtige Waldleistungen werden in höheren Lagen erbracht, und auch dort nimmt die klimatische Eignung der heute wachsenden Baumarten ab. Das Testpflanzungsnetzwerk wird eine Datengrundlage schaffen, die Antworten erlaubt zur standortsspezifischen Baumartenwahl in einem sich ändernden Klima. 

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