Georg Von Graefe ist offen für Firmen, die in den Badener Wald respektive seine Pflege investieren wollen. Foto: Anita Merkt

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Sponsoring: Förster erschliessen neue Finanzquellen für den Wald

Die Kostenlast zwingt Forstbetriebe, neue Geldquellen für den aufwändigen Umbau des Waldes zu finden. Die Stadt Baden geht neue Wege und überzeugt Firmen, sich für zukunftsfähige Wälder zu engagieren. Das Modell hat Modellcharakter für andere Waldbesitzer.

Von Anita Merkt* Der Leiter der Softwarefirma verzichtete auf lange Redeschleifen und fasste sich kurz. Denn an diesem Nachmittag im Mai freuten sich Stechmücken über die Menschenansammlung im jungen Forst: Die Softwarefirma BSI aus Dättwil hat langjährige Mitarbeiter zum ersten Mal mit dem Nachwuchs im örtlichen Wald verbandelt. Zu ihrem 20-Jahr-Firmenjubiläum machte BSI die IT-Mitarbeiter zu Paten einer Waldparzelle im Badener Forst. Das heisst:
Die Firma finanziert im Namen der Jubilare über einen Zeitraum von 20 Jahren die Jungwaldpflege auf einer von Lothar verwüsteten Waldfläche. Und die Mitarbeiter erhalten eine Urkunde mit einer Beschreibung der Jungbäume, die auf «ihrer» Parzelle im Forst gefördert werden. Da steht zum Beispiel: «Der Kirschbaum wurde als Zukunftsbaum bestimmt und wird nun in der Jungwaldpflege gefördert, indem er regelmässig freigeschnitten wird. So hat er genug Licht und Platz, um optimal zu wachsen.» 

Damit jeder Firmenjubilar seine Patenparzellee auch in 20 Jahren noch findet, sind auf der Urkunde die GPS-Koordinaten der Jungwaldfläche eingetragen. Zudem darf jeder Jubilar einen vorbereiteten Holzpflock mit den GPS-Daten und seinem Namen in den Waldboden schlagen. 

Sponsoring der Jungwaldfläche durch die Softwarefirma ist eines von zahlreichen Sponsoring-Engagements lokaler Firmen, mit denen die Bürgergemeinde einen Teil der Waldpflege in Baden finanziert. «Durch Naturverjüngung und gezielte Pflegeeingriffe soll wieder ein natürlicher Wald entstehen, der wertvoll für die Holzproduktion, aber auch für den Naturschutz und die Erholung ist. Eine Jungwaldpflege ist notwendig, damit sich ein stabiler, sturmfester und gegen Krankheiten widerstandsfähiger Wald entwickeln kann», heisst es in einer Broschüre der Stadt Baden.

Das Sponsoring klar definierter waldbaulicher Aufgaben durch lokale Firmen und Private hat im Ortsbürgerwald der Stadt bereits Tradition. Zum ersten Mal engagierte sich eine Firma vor 25 Jahren finanziell für den Wald, der in Baden 56 Prozent der Stadtfläche bedeckt. «Die Satzung der Ortsbürgergemeinde, der der Wald gehört, legt fest, dass der Badener Wald für die Zukunft erhalten und der Allgemeinheit dienen soll», erklärt der Badener Stadtoberförster Georg von Graefe. Dazu gehöre, dass der Stadtwald den Bürgern als Ort der Erholung zur Verfügung stehe. Da der Wald nicht in öffentlichem Besitz sei, könnten Defizite nicht mit Steuergeldern ausgeglichen werden, so von Graefe. Auch aus den Holzerlösen seien die zahlreichen Funktionen, die der Agglomerationswald zu erfüllen habe, nicht zu finanzieren. 

Von Graefe und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen befinden sich daher immer auf der Suche nach Sponsoren, die bereit sind, über eine Mindestdauer von fünf Jahren mehrere 10 000 Franken jährlich in die Waldpflege oder in besondere Waldreservate zu investieren. Für besonders zahlungsfähige Kunden entwickelt von Graefe eine Art Premium-Produkt, mit dem sie sich der Öffentlichkeit als engagierte Ökosponsoren präsentieren können. 

Ein Vorzeigebeispiel ist das Naturreservat «Teufelskeller», das von der Aargauer Kantonalbank gesponsert wird. In dem zerklüfteten Gebiet mit wild verstreuten Nagelfluherhöhungen und Felsvorsprüngen wird schon seit Jahren kein Holz mehr geerntet. Neben stehendem Fichtentotholz liegen Eschen- und Buchenriesen kreuz und quer auf dem Waldboden und bieten einer Vielfalt von Insekten, Pilzen und anderen Lebewesen Nahrung und ein Zuhause. 

Banken pflegen ihr Ökoimage

Ähnlich wie die Aargauer Kantonalbank engagiert sich auch die Basellandschaftliche Kantonalbank für den Wald in ihrer Geschäftsregion. Unter dem Sponsoring-Motto «Wald von morgen» lancierte die BLKB im Herbst 2020 in Zusammenarbeit mit WaldBeiderBasel das Projekt «Wald von morgen». In diesem Projekt verpflichtete sich die BLKB, in den nächsten fünf Jahren das Pflanzen und die Pflege von mindestens 1000 hitzeresistenten Baumarten wie Speierling und Wildbeere zu finanzieren. Die Kundinnen und Kunden der BLKB können dieses Projekt mit den beiden Produkten «Zukunftskonto» und «Geschenksparkonto Zukunft» unterstützen. Beim Zukunftskonto unterstützen die Kontoinhaber und Kontoinhaberinnen das Projekt mit zurzeit einem Basispunkt (0,01 Prozent) auf den Einlagen des Zukunftskontos, die BLKB steuert 1,5 Basispunkte (0,015 Prozent) bei.

Beim Geschenksparkonto Zukunft, das die Grosseltern oder Göttis für ihre Enkel oder Göttikinder eröffnen, fliesst die jährliche Kontoführungsgebühr in Höhe von drei Franken in das Projekt «Wald von morgen». «Beim Einzelnen fällt das nicht ins Gewicht, aber wenn in ein paar Jahren mehrere tausend Kunden ein Zukunftskonto oder Geschenksparkonto Zukunft eröffnet haben, rechnen wir damit, jedes Jahr 250 bis 300 junge Bäume finanzieren zu können», erklärt BLKB-Produktmanager Peter Merz das Sponsoring-Konzept. Um den potenziellen Inhabern eines Zukunftskontos oder eines Geschenksparkontos Zukunft eine Geschichte zum Anfassen präsentieren zu können, finanziert die Basellandschaftliche Kantonalbank die ersten 1000 Pflanzungen vor, bis das Geld über Kundengelder zusammengekommen ist.  

Wie der Geschäftsführer von WaldBeiderBasel, Raphael Häner, sagt, konnten seine Förster dank der vereinbarten Unterstützung bereits fünf Pflanzungen realisieren. Zum Teil hatten auf den neu bepflanzten Flächen rund 250 Buchen der Hitze nicht mehr standgehalten, zum Teil mussten Fichtenbestände abgeholzt werden, in denen sich der Borkenkäfer breitgemacht hatte. Teilweise bepflanzen die Zukunftsförster im Baselbieter Wald auch Naturverjüngungsflächen mit einzelnen hitzeresistenten Bäumen.

Klimaresistente Bäume

Auch der Badener Stadtoberförster von Graefe kann dank dem Sponsoring-Engagement klimaresistente Bäume pflanzen und pflegen. Auf sogenannten «Klimawaldin-
seln» begann er im November letzten Jahres hitzeangepasste Bäume wie die Atlaszeder zu pflanzen. Wenn sie in den nächsten 25 bis 30 Jahren gut gedeihen, sollen die Atlaszedern sich als Teil der hiesigen Baumpopulation selbst versamen und vermehren. Da man heute nur vermuten kann, welche Baumarten mit dem künftigen Klima am besten zurechtkommen, experimentiert der Badener Oberförster mit unterschiedlichen Baumarten, die Teil eines klimaresistenten Waldes werden könnten. Zum einen arbeitet von Graefe also daran, dass auch die Enkel der heutigen Badener und Badenerinnen noch im Wald spazieren gehen können, zum anderen anderen können von Graefe und seine Waldsponsoren den Bewohnern des Städtchens ohne Pärke schon heute einen lebendigen und abwechslungsreichen Wald bieten. 20 Prozent des Stadtwaldes sind inzwischen von forstlichen Eingriffen 
ausgenommen und zu speziellen Waldreservaten umgeformt.

Eine örtliche Brauerei engagiert sich für den Schutz ihrer im Badener Wald gelegenen Quellen, eine weitere Firma patroniert ein Schutzgebiet mit einem der grössten Schweizer Eibenwälder, eine dritte Firma engagiert sich mit 50 000 Franken für die Pflege von ausgesuchten Habitatbäumen.

Modell für innovative Forstbetriebe

Voraussetzung des Ökosponsorings in Baden ist, dass die Geschäftstätigkeit der Partnerfirma nicht im Widerspruch zu den ökologischen und gesellschaftlichen Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung steht. «Wir sehen uns nicht als Partner für Firmen, die sich lediglich ein grünes Mäntelchen anlegen wollen», sagt von Graefe. Ausserdem legt Baden Wert auf ein längerfristiges Engagement. In der Praxis heisst das, dass sich die Firmen für mindestens fünf Jahre finanziell verpflichten.

Angesichts der immer anspruchsvolleren Aufgaben der Forstbetriebe könnten Sponsoring-Verträge wie in Baden oder Baselland auch anderswo Schule machen. So gleist man im Unterwallis derzeit ein Modell für Partnerschaften mit lokalen Firmen auf, die forstliche Aufgaben mitfinanzieren sollen. Eine Marketing-Agentur soll ein attraktives Sponsoring-Paket schnüren, das für Firmen interessant ist. Beim Sponsoring im Badener Forst haben die Firmen zum Beispiel die Möglichkeit, für Kundinnen und Mitarbeiter Anlässe im Wald zu organisieren. So hat eine Elektrofirma unter dem Motto «Damit im Wald das Licht nicht ausgeht» einen Anlass im gesponserten Waldgebiet organisiert, zu dem auch eine Führung des Stadtforstamts zur besonderen ökologischen Bedeutung des Reservats gehörte. «Solche Anlässe mit Sponsoren und ihren Mitarbeitern oder Kunden ermöglichen es uns, Menschen für Belange der Forstwirtschaft und des Naturschutzes zu sensibilisieren, die vielleicht wenig Bezug zum Wald haben», erklärt von Graefe die nicht monetären Vorteile des Sponsorings. Patenschaften zu organisieren, bei denen einzelne Bürger einen oder mehrere Bäume adoptieren, sind nach Ansicht von Graefes  dagegen administrativ viel 
zu aufwendig.

Für Forstbetriebe, die sich vor dem Organisations- und Marketing-Aufwand zur Gewinnung von Sponsoren scheuen, bietet sich die Westschweizer Organisation «almighty tree» als Vermittlerin an. Der Gründer Gilles Suard und seine Schwester pflanzen inzwischen gesponserte Bäume auf der ganzen Welt, vor allem aber in der Schweiz. «Hier arbeiten wir mit Förstern zusammen, die wissen, wo in ihrem Revier sich welche Baumart voraussichtlich gut entwickeln wird», erklärt Suard. Bei «almighty tree» können sowohl Private wie auch Firmen für Festbeträge das Pflanzen junger Bäume finanzieren. 

Teambuilding-Event im Wald

Auf Wunsch beteiligen sich die Firmenmitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Rahmen von Teambuilding-Anlässen selbst an den Pflanzaktionen. Ein Förster, der bei Neuanpflanzungen gerne mit «almighty tree» zusammenarbeitet, ist der Freiburger Gerardo Tortorella. «‹almighty tree finanziert auch Baumarten wie Lärchen, für die es vom Kanton kein Geld gibt», sagt Tortorella. Auch im Bürgerforst von Freiburg können die Sponsoren oder die mit Bäumen Beschenkten mittels GPS-Daten sehen, 
wo ihr Baum steht. 

Den Unterhalt und die Pflege der Neupflanzungen muss der Forstbetrieb zwar selbst finanzieren, doch Tortorella ist froh, dass zumindest die Kosten für das Pflanzen von den Sponsoren übernommen werden. Und wie von Graefe geben ihm das Sponsoring und die Team-Anlässe im Wald Gelegenheit, Menschen, die in ihrem Beruf nicht einmal mehr mit Papier zu tun haben, für seine Belange zu sensibilisieren. 

 

KOMMENTAR ZU KOSTEN DER WALDPFLEGE

Den Wald zu nutzen und zu pflegen, ist wichtig, soll er seine vielfältigen Aufgaben auch in Zukunft erfüllen können. Gerade in Zeiten eines sich verändernden Klimas beinhaltet dieses Ziel aber eine besondere Herausforderung: Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer müssen die anfallenden Zusatzkosten finanzieren können.

Die Bürgergemeinde Basel beispielsweise betreut den Hardwald, der besonders unter den häufigeren und längeren Trockenheitsphasen zu leiden hat. Viele der Bäume, die dort stehen, kämpfen mit den Folgen von Hitze und Wassermangel.

Der zuständige Förster Christian Kleiber ist dabei, den Wald umzubauen, will heissen, Baumarten zu pflanzen, die in Zukunft vielleicht besser mit den neuen klimatischen Bedingungen klarkommen. Wer einen Wald so umstrukturieren muss, kommt nicht um Pflanzungen herum. «Wir haben letztes Jahr 4,5 Hektaren gepflanzt und werden sicherlich noch weiterpflanzen müssen. Bei uns fehlt die Naturverjüngung, und die invasiven Brombeeren bedecken den Boden in kurzer Zeit mit einem dicken Teppich», sagt Kleiber. Er rechnet vor, dass bei einer Hektare sich die Pflanzkosten auf etwa 16 500 Franken belaufen, inklusive Pflanzung und Einzelschutz gegen den Wildverbiss. Hinzu kommen die Pflegekosten. Pro Jahr und Hektar sind das 3600 Franken in den ersten fünf Jahren, danach reduzieren sich die Kosten etwas. 

Wie in Basel trägt bei vielen diesen Umbauprojekten die Waldeigentümerin oder der Waldeigentümer die Kosten, vom Kanton kommt minime Unterstützung. Kostendeckung jedenfalls sieht 
anders aus. Im Jahr 2020 bezahlte der Bund 151 Mio. und die Kantone 139 Mio. Franken für den Wald. Auf die Jungwaldpflege entfielen knapp 12 respektive 10 Mio. Franken. Die Politik zeigt sich zwar willens, etwas zu verbessern, und erhöhte die jährlichen Zuwendungen für die Pflege um 20 Millionen Franken, dies aufgrund der Motion von WaldSchweiz-Präsident sowie Ständerat Daniel Fässler (Die Mitte, AI). Zudem möchte Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP) die Kantone mehr in die Pflicht nehmen. 

Auch wenn von der öffentlichen Hand deutlich mehr kommen muss, so hat das Modell Baden Vorzeigecharakter. Die Forstbetriebe müssen neue Ertragsquellen erschliessen und Firmen die Möglichkeit anbieten, aktiv in die Waldpflege zu investieren statt nur Jungbäume zu finanzieren. 

(Mischa Hauswirth)

 

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